Keine Killerturbinen in die Elbe! Plänen für die Wasserkraftnutzung in Geesthacht/Elbe

Pressemitteilung vom Anglerverband Niedersachsen

Hannover, 07. März 2024

Pläne für Wasserkraft in Geesthacht Verstoß gegen EG-Wasserrahmenrichtlinie
Was die Bundestagsabgeordneten Nina Scheer (SPD) und Konstantin von Notz (Bündnis 90/GRÜNE) als Chance bezeichnen (Hamburger Abendblatt, 20. Februar 2024), nämlich die Nutzung von Wasserkraft am Standort Geesthacht, ist ein eklatanter Verstoß gegen die Auflagen der EG-Wasserrahmenrichtlinie. Deutschland hat sich im Jahr 2000 zur Umsetzung der Richtlinie verpflichtet. Dazu gehört auch das Verschlechterungsverbot: Eingriffe des Menschen dürfen nicht zu einer Verschlechterung der ökologischen Gesamtsituation eines Gewässers führen.
Aber: 20 Jahre nach Unterzeichnung des Abkommens sind nur 3% der Gewässer in Niedersachsen im geforderten "guten ökologischen Zustand" - bundesweit sind es knapp 10%. Die Elbe gehört nicht dazu.


Gehäckselt, verstümmelt, zerquetscht
"Wasserkraft ist alles andere als "grün", wie Lobbyisten es uns unablässig vorbeten. An ihren Turbinen klebt das Blut Hunderttausender Fische!", empört sich Werner Klasing, Präsident des Anglerverband Niedersachsen (AVN). "Derartige Hirngespinste sind beschämend und muten an wie aus den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Ein Massensterben unter Wasser wider besseren Wissens in Kauf zu nehmen, ist ein Verbrechen an der Natur und hat mit Energiewende nichts zu tun!"


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112 Zentimeter langer Europäischer Aal (Anguilla anguilla), nach Passage einer Turbine mit zahlreichen Läsionen, Quetschungen und Brüchen der Wirbelsäule aufgefunden unterhalb eines Kraftwerkes an der Weser
Foto & ©: M. Emmrich / AVN

Aktuelle Studien belegen, dass im Durchschnitt mehr als 20% aller Fische, große wie kleine, ums Leben kommen, die eine Turbine einer egal wie großen Wasserkraftanlage passieren (Radinger et al. 2021). "Ums Leben kommen" ist die euphemistische Umschreibung für "gehäckselt, verstümmelt oder zerquetscht werden".

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Toter Brassen (Abramis brama), dessen Kopf durch die Turbine einer Wasserkraftanlage in der Weser (Landesbergen) glatt abgetrennt wurde.
Foto & ©: M. Emmrich / AVN

Gerade bei Aalen und anderen größeren Fischarten sind die Tötungsraten häufig noch um ein Vielfaches höher. Von den schwer verletzten und nicht unmittelbar getöteten Fischen gar nicht zu reden. Röntgenaufnahmen der Tierärztlichen Hochschule Hannover aus dem Jahr 2018 zeigen bei 50% der Aale, die unterhalb einer Wasserkraftanlage in der Weser gefangen wurden, massive Stauchungen, Quetschungen und andere Traumata an der Wirbelsäule. Diese Aale (IUCN Gefährdungsstatus: vom Aussterben bedroht) waren auf dem Weg zu ihren Laichgründen in der Sargassosee südlich von Florida - eine mehr als 5.000 km weite, zwei bis drei Jahre dauernde Wanderung, die derart verletzte Tiere nicht überlebt hätten.

Fischschonende Turbinen gibt es nicht!
Nicht genug damit, dass in den massiven Sauerstofflöchern der Unterelbe Jahr für Jahr Tausende Fische qualvoll ersticken, die auf dem Weg in ihre Laichgebiete flussauf sind. Jetzt soll das einzige Wanderhindernis auf mehreren hundert Kilometern Elbestrecke, das Stauwehr in Geesthacht, auch noch zur tödlichen Unterwasserfalle aufgerüstet werden.
"Der Hinweis auf angeblich "fischschonende" Turbinen ist greenwashing par excellence, " weiß Ralf Gerken, Fließgewässerexperte beim AVN. "Alle Fischkenner sind sich einig: Fischschonende Turbinen gibt es nicht."

Gerken ist Spezialist für Großsalmoniden wie Lachs und Meerforelle. Zwei hoch bedrohte Wanderfischarten, die in Deutschland nur noch dank jahrzehntelanger ehrenamtlicher Artenschutzbemühungen von Angelvereinen vorkommen. Genauso lange bemüht Gerken sich um Aufklärung, was die Machenschaften und Falschaussagen der Wasserkraft-Lobby angeht: "Durch die Energiegewinnung und die Querverbauungen an den Standorten Moorfleth und Geesthacht haben wir den Atlantischen Stör und den Nordseeschnäpel in der Elbe bereits ausgerottet. Andere Fischarten wie Finte, Maifisch, Aal, Lachs und Meerforelle sind kurz davor, im Elbe-System ebenfalls auszusterben. Turbinen in Geesthacht wären das Todesurteil für die hoch bedrohten Bestände dieser Arten."

Fast die Hälfte aller Fischarten gefährdet oder ausgestorben: Anglerverband fordert Umdenken
In ihren Herkunftsländern Schweden und Norwegen sind Wasserkraftbetreiber wie Vattenfall (Geesthacht) oder Statkraft (Weser-Standorte) mit erheblichen Auflagen belegt worden für einen möglichst "fischschonenden" Betrieb ihrer Anlagen. Hierzulande drückt man beide Augen zu und schert sich seitens der Regierung offenbar nicht einen Deut um das Wohl der Unterwasserfauna.
Dabei sprechen die aktuellen Roten Listen eine eindeutige Sprache: Fast die Hälfte aller heimischen Fischarten sind entweder ausgestorben (3 Arten) oder gefährdet. Auf den Spitzenplätzen der bedrohten Arten: Die Wanderfische wie Lachs und Meerforelle und Aal, sowie Fluss- und Meerneunauge. Querverbauungen und Wasserkraftanlagen sind maßgeblich für diesen Zustand verantwortlich. Naturschutz-Experten bestätigen: Der Verlust der Biodiversität ist nirgendwo so hoch wie im Süßwasser! Das Artensterben in unseren Gewässern betrifft nicht nur Fische und Neunaugen, Krebse und Muscheln, sondern auch Heerscharen von Kleinlebewesen wie Eintags- und Köcherfliegenlarven, Flohkrebse und viele andere mehr.

"Norddeutschland ist kein Wasserkraftland. Nicht umsonst trägt Strom aus Wasserkraft nur lächerliche 3,3% (2020) zum Energiemix der erneuerbaren bei - bundesweit. In Niedersachsen sind es nur 0,5%!" erläutert Ralf Gerken und zitiert das von 65 deutschen Fachwissenschaftler:innen unterzeichnete Memorandum: "Klimaschutz vs. Biodiversitätsschutz" das der Bundesregierung seit November 2021 vorliege. Geradezu erschreckend sei der Vergleich Schaden/Nutzen bei den 7.800 Kleinwasserkraftwerken in Deutschland mit weniger als 1 Megawatt Leistung: Sie trugen 2020 weniger als 0,5% zur gesamtdeutschen Stromproduktion bei.

"Fließgewässer und ihre Auen sind anerkannte Hotspots der Artenvielfalt", so AVN-Präsident Klasing. "Jahrzehntelang haben wir sie begradigt, trockengelegt und verbaut. Wir sollten das Wehr in Geesthacht tatsächlich einreißen! Und könnten dann stolz darauf sein, dass die Elbe als einziger Strom Europas unverbaut wieder ein Mekka der Biodiversität und ein Musterbeispiel für weitsichtige und kluge Entscheidungen unserer Regierung wäre."

Weitere Infos unter:
www.av-nds.de
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www.facebook.com/anglerverbandniedersachsen

ÜBER DEN AVN
Der Anglerverband Niedersachsen e.V. (AVN) ist mit über 100.000 Mitgliedern einer der zwei größten anerkannten Naturschutzverbände und der größte anerkannte Fischereiverband des Landes. Die Mitglieder der rund 340 AVN-Vereine leisten jedes Jahr aktiven Naturschutz: Durch die Wiedereinbürgerung bedrohter Arten, das Monitoring von Fischen und anderen Wasserlebewesen, Aufzucht und Besatz bedrohter Kleinfischarten, dem Schutz von Flusskrebsen und Muscheln, regelmäßigen Wasseranalysen sowie Müllsammel- und Pflanzaktionen, tragen die organisierten Angler dazu bei, Gewässer mit ihren ufernahen Lebensräumen zu erhalten und nachhaltig zu fördern. Bemessen in Zahlen wenden die AVN-Vereine jedes Jahr über 200.000 Stunden im Ehrenamt und siebenstellige, überwiegend private, Geldmittel für Natur- und Artenschutzmaßnahmen an Gewässern auf. Davon profitieren neben den Fischen viele weitere Tier- und Pflanzenarten und nicht zuletzt auch alle Erholungssuchenden am Wasser.

Quelle: Pressemitteilung zu Plänen für die Wasserkraftnutzung in Geesthacht/Elbe vom Anglerverband Niedersachsen
 
Für mich ergibt so eine Wasserkraftanlage keinen Sinn, weil Geesthacht genau wie Bremen-Hemelingen im Bereich von Ebbe und Flut liegen. Bei auflaufendem Wasser verringert sich die Stromerzeugung zunehmend, weil sich das Gefälle verringert. In Bremen beträgt der Tidenhub 4 Meter. Bei Geesthacht wohl so ähnlich. In Bremen musste damals ein neues Wehr gebaut werden und die Stadt plante eine Anlage mit 5 Megawatt, der größere Teil des Wassers sollte übers Wehr und die Fischtreppe fließen, man war sich der Probleme für die Fische durchaus bewußt. Dann plante man aber eine 10 Megawattanlage wegen der Einspeisevergütung. Wasserkraft galt plötzlich als Ökostrom. Die Proteste wiegelte man ab indem versprochen wurde das in Bremen besonderer Wert auf gute Aufstiegsmöglichkeit für Wanderfische besonders aber auf gefahrloseren Fischabstieg geachtet wird. Nur funktioniert das wohl nicht wie geplant. Nun, die Fischtreppe auf der Turbinenseite kam wohl auch erst nach einer Klage zustande und war garnicht geplant ( zumindest wurde mir das so gesagt ) Es gibt ja auch noch den alten Fischpass der aber nicht auf der Strömungsseite liegt und somit für Fische weniger findbar ist.
Da wurde vor einigen Jahren in Geesthacht eine so moderne Fischtreppe gebaut, weil das Wehr für Fische bis dahin so gut wie unüberwindbar war und plant jetzt ernsthaft noch sowas wie an der Weser. :mad: Und die Elbe ist sonst ohne Staustufen und ohne Wasserkraftanlagen. Es wäre schön das das so bleibt.
 
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